100.000 Mal muss sich ein Buch verkaufen, um in Deutschland als Bestseller zu gelten!
Vor einem Dreivierteljahr stellte @hanna_buchmarketing auf Instagram die Frage „Sind einhundert verkaufte Exemplare eigentlich viel?“. Sie rief Autor:innen dazu auf, Einblicke in ihre
Verkaufszahlen zu gewähren: für mehr Transparenz und als Hilfestellung für einen realistischeren Überblick unter Selfpublishern.
Mir begegnete ihr Beitrag gestern zum ersten Mal und nach langem Zögern entschloss ich mich, mich nachträglich doch noch nackig zu machen, denn über konkrete Zahlen wird in der Buchwelt viel zu
oft geschwiegen.
Es scheint so, als ob bei 60.000 bis 80.000 Neuerscheinungen im Jahr nur etwa 10% der Selfpublisher-Autoren auf über einhundert verkaufte Exemplare kommen. Ich bin nicht sicher, wie belastbar diese Zahlen sind, zudem gelten für Verlagsautoren sicherlich andere Regeln und Parameter.
Tatsache aber bleibt, dass unter Schriftstellern (egal ob Selfpublisher oder Verlagsautoren) wenige gut und viele schlecht verdienen und dass das Bild des „hungernden Poeten“ leider kein Klischee, sondern Realität ist, es sei denn, dass die Autorin / der Autor einen Brotjob hat, der ihr / ihm das Schreiben finanziert.
Im April 2022 habe ich mein Debüt Nachttanz: Schattenwelten, den ersten Band meiner Nachttanz-Trilogie, zunächst auf Deutsch und im Januar 2023 auf Englisch veröffentlicht.
Nachttanz ist eine tief spirituelle und gesellschaftskritische Buchreihe; eine Heilungsreise, die auf den Pfaden historischer und kollektiver Traumata wandelt. Sie ist mein unangefochtenes
Herzensprojekt und ihre Fertigstellung im Grunde genommen eine „No-Choice-Aufgabe“.
Ein Mainstreambuch ist Nachttanz auf jeden Fall nicht! Auch lässt es sich nicht auf ein einzelnes Genre reduzieren.
So habe ich gar nicht erst versucht, einen Verlag zu finden, sondern einige Tausend Euro für ein professionelles Lektorat, Korrektorat, Coverdesign und Buchsatz sowie meine beiden Webseiten
zusammengekratzt und Nachttanz auf Amazon im dort kostenlosen Selfpublishing veröffentlicht.
Man mag über Amazon denken, was man möchte, und auch ich stehe dem Online-Riesen keinesfalls unkritisch gegenüber, dennoch ist er der einzige „Verlag“, der meinen Traum einer zweisprachigen
Veröffentlichung zu meinen ganz persönlichen Konditionen problemlos realisieren konnte und mir dabei völlige Freiheit im kreativen Ausdruck lässt.
Von April 2022 bis heute (Anfang Juni 2023) wurden 124 Exemplare von Nachttanz verkauft: 113 auf Deutsch (91 Taschenbücher, 22 Kindle-Ausgaben) sowie 11 auf Englisch (4 Taschenbücer, 7
Kindle-Ausgaben). Hinzu kommen 5607 KENP-Seiten für die deutsche und 205 KENP-Seiten für die englische Ausgabe. (KENP sind die Kindle Edition Normalized Pages des Kindle Unlimited
Programms bei Amazon).
Meine Träume in Bezug auf die Reichweite von Nachttanz sind zugegebenermaßen… riesig! Die Realität bisher jedoch tendenziell ernüchternd und die Ausgaben nicht einmal im Ansatz wieder
hereingeholt. (Für jedes Taschenbuch erhalte ich übrigens - abhängig vom Verkaufspreis - rund drei, für jede verkaufte Kindle-Ausgabe rund vier Euro, die ich natürlich versteuern muss. Die Amazon
Tantiemen liegen somit deutlich über denen der Verlage!)
Aber wer sind wir, wenn wir unsere Träume an den Nagel hängen, statt versuchen, ihnen Form zu geben?
Oft habe ich darüber nachgedacht, ob nicht das Ziel ohnehin weit weniger bedeutsam als der Weg ist - oder die Tatsache, dass das, was wir kleinen (und großen) Autor:innen schreiben und in die
(Buch)Welt geben, von einem Ort tiefer innerer Überzeugung und echter Liebe für unsere Geschichten und unsere Charaktere kommt... einem Ort kompromissloser Authentizität für unseren so
individuellen kreativen Ausdruck.
Aus meiner Sicht ist das Selfpublishing die einzige (kommerzielle) Veröffentlichungsmöglichkeit, die uns hierin nicht beschneidet.
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Margit (von Schreib✍️verbunden) (Samstag, 10 Juni 2023 14:23)
Liebe Kory, ich teile deine Überlegungen in jedem einzelnen Punkt. Allerdings werde ich in meinem persönlichen Fall auf Ausgaben für ein Design etc. verzichten und auch diesbezüglich eigene Wege gehen. Auch dies könnte ein Anspruch aus der konservativen Buchwelt sein, dem ich nicht genügen muss. Oder sagen wir mal so: Das ich neu entscheide, wenn erste Einnahmen geflossen sind. ��
Kory Wynykom (Samstag, 10 Juni 2023 19:28)
Liebe Margit, herzlichen Dank für das Teilen deiner Gedanken. ❤️